Die Sprache eines Romans, so kommt es mir manchmal vor, ist wie eine Tapete, die einen fiktiven Raum zugleich abdichtet und darstellt. Ich möchte das die „hermetische Komponente“ der Sprache nennen, ihre fiktionserzeugende Kraft, die manchmal so „dicht“ sein kann, dass der Leser seine Umwelt vergisst. Ein solcher Roman ist das vorliegende Buch, das den Leser in ein für ihn vollkommen fremdes Milieu entführt: in die Welt der afrikanischen Großwildjagd.
Im Mittelpunkt der Handlung steht der amerikanische Börsenspekulant Hunter White, der seine Befriedigung darin findet, afrikanische Raubtiere zu jagen und zu töten. Er ist in eine Großwildjägerlodge gekommen, um auf der Grundlage einer sündhaft teuren Jagdlizenz ein Nashorn zu schießen, eines jener Tiere, die ihm in seiner Trophäensammlung noch fehlt. Als die Jagd auf dieses Nashorn misslingt, wird er mit einem schockierenden Angebot konfrontiert: für eine schwindelerregende Gebührt erhält er von dem örtlichen Stamm das Angebot, einen Jungen des Dorfes zu jagen und zu töten. Das Angebot besitzt eine bizarre Logik: so wie mit den Gebühren der Großwildjäger der Natur- und Artenschutz mitfinanziert wird, soll die Jagdgebühr, die White an das Dorf zahlen muss, dafür verwendet werden, begabte Kinder des Ortes im Ausland studieren zu lassen.
So geht Hunter White mit David, dem Fährtensucher, auf die Jagd nach dem Opfer, das nur wenige Stunden Vorsprung hat, eine schreckliche und befremdliche Konstellation, die ihre Klimax in der Szene findet, als der Jäger den Jungen, der nicht mehr flieht, einfach erschießt. Es gehört zu den Stärken des Buches, dass der Autor seinen Lesern die an dieser Stelle fällige moralische Philippika erspart, aber seine Handlung so anlegt, dass sie sich dem Leser von selbst aufdrängt. Die Heimkehr von der Jagd wird dann zu einer verdienten Buße für den abgedrehten Jäger. Von einem Skorpionstich gelähmt, sieht er sich dem Angriff von Löwen und Hyänen gegenüber und wird selbst zur Beute. Allein die Szene, als sich Löwen und Hyänen gegenseitig im Kampf um die menschliche Beute zerfleischen, lohnt den Kauf des ganzen Buches. Zwar gelingt es White mit der Hilfe seines Fährtenlesers zu überleben, doch im Lager verstirbt er an einem gänzlich unheroischen Fiebertod.
Soweit der Abriss der Handlung, die bei weitem nicht die Stimmungen und Bilder wiedergeben kann, die der Autor seinem Lesern bietet: die Atmosphäre des nächtlichen Dschungels, das Ambiente der Jagd und die Verzweiflung eines Eingeborenendorfes, das zu bizarren Mitteln greifen muss, um zu überleben. Ein solches Buch, das eine literarisch anspruchsvolle Sprache mit einer extrem packenden Handlung verbindet, habe ich schon lange nicht mehr gelesen. Hut ab vor der niederländischen Autorin Gaea Schoeters, von der ich vorher noch nie etwas gehört habe, von der ich nun aber auch andere Bücher lesen werde.