Sommer. Mordsache Cäsar

Seit Plutarchs griechischen und römischen Biografien hat es sich der Liebhaber der Geschichte angewöhnt, sich dem Ablauf der Ereignisse durch das Prisma eines persönlichen Lebens zu nähern. Manchmal spielen diese Personen nur die Rolle von Zaungästen, mitunter stehen sie aber auch am Steuerrad der Geschichte, die sie nach ihrem Gusto lenken wollen. Einer der größten Steuerleute aller Zeiten war Julius Cäsar, das strategische Genie der späten römischen Republik, der nach einem kometenhaften Aufstieg vor seiner Vollendung einem Mordanschlag zum Opfer fiel. Die Etappen seines Lebens wie der Übergang über den „Rubikon“, die „Würfel, die gefallen sind“, sein „veni, vidi, vici“ oder die „Iden des März“ haben sich von seiner Biografie gelöst und sind zu Metaphern geworden. Kein Wunder, dass sein Leben schon hunderte Male erzählt und neu gedeutet wurde, ohne dass der Bedarf verschwunden wäre,  diese Geschichte sich immer neu zu erzählen.

Julius Cäsar

Nun hat sich Publizist und Literaturhistoriker Michael Sommer an diesem Stoff versucht und ihm eine originelle und unterhaltsame Form gegeben. Er präsentiert Cäsars Leben und Tod als „Mordsache Cäsar“ in Gestalt eines umfangreichen Ermittlungsberichtes. Im Rahmen dieses Berichtes kommen Sueton, Plutarch, Cassius Dio und Geschichtsschreiber späterer Epochen als Zeugen zu Wort, deren Aussagen aber nicht nur referiert, sondern sorgfältig abgewogen und auf Plausibilität hin abgeklopft werden.  Auf diese Wiese marschiert das ganze Personal der späten Republik vor den Augen des Lessers auf: neben Cäsar Sulla, Pompejus, Brutus, Cassius und Kleopatra auch die Gestalten aus der zweiten Reihe wie Trebonius, Caesars rechte Hand, der zu  seinem Mörder wurde, Labienus, der Reiteroffizier im Gallischen Krieg, der im Bürgerkrieg zur Senatsseite wechselte, der zwielichtige Dolabella, der wüste Coldius und der ehrgeizige Mark Anton, der von den Attentatsplänen wusste, ohne sie zu verraten. Es treten auf der nervige, aber tugendhafte Cato, der zaudernde Cicero, dessen Briefen wir einen Großteil unserer Kenntnisse verdanken – und der frühreife Großneffe OctavianDahlheim: Augustus, von dem damals noch niemand ahnte, dass er einmal zum Augustus werden würde. Jeder von ihnen agiert als ein Universum von Wünschen und Begierden, die sich mit denen der anderen nicht auf einen Nenner bringen lassen, so dass eine Dynamik entsteht, die sich, je mehr sich die Handlung des Iden des März nähert, an Dramatik zunimmt.  Am Ende spitzt sich die Darstellung auf die Frage zu, welche Motive die Caesarmörder  zu ihrer Tat motivierten. Bei Brutus und Cassius mögen es republikanische Gefühle gewesen sein, bei Trebonius, vielleicht auch bei Mark Anton, war es der Machthunger, bei anderen der Groll darüber, dass der Diktator seine Feinde reihenweise begnadigte und damit die Aussichten seiner treuen Anhänger verschlechterte. Die meisten von ihnen hatten von  Cäsars Clementia, seiner Barmherzigkeit, profitiert und stießen ihm am Ende doch den Dolch in den Leib. Dafür fanden sie fast alle einen gewaltsamen Tod – mit Ausnahme des Octavian, der sich als wahrer Erbe Cäsars erweist und als Augustus und Gründer des Prinzipats den Bürgerkrieg beendet.