Spätestens seit Marcel Prousts „Eine Liebe von Swann“ kennt man das Problem: ein geistig überlegener Mann liegt vor einer schönen aber durchschnittlichen Frau auf dem Bauch. Was soll er machen? Seine Intelligenz und sein geistiger Rang interessieren diese Frau nicht, stattdessen gelingt es ihr, den Mann mit den kreatürlichen Mitteln der puren Leiblichkeit zu beherrschen. Der Mann wehrt sich, aber er kann nicht anders. Er erlebt sich als Weichei und sein Liebe als Fremdbestimmung durch eine Kraft in sich, die er am allerwenigsten schätzt.
Diese Konstellation liegt Strindbergs nachgelassenem Roman „Plädoyer eines Irren“ zugrunde. Auf über 300 Seiten entfaltet der Autor seine komplizierte Ehe zu der Schauspielerin Siri von Esten – und das aus zwei Perspektiven: vom Hochsitz seiner (eingebildeten) geistigen Überlegenheit, mit der er Spott und Häme über seine Gattin ausschüttet, dann aus der Tiefparterre seiner hoffnungslosen Verfallenheit an die schöne Siri. Aus beidem gemeinsam erwächst ein hässliches Ressentiment, die dem Autor keine Ehre einlegt, auch wenn die Konsequenz, mit der Strindberg beide Perspektiven ausbuchstabiert, beachtlich ist.
Bleibt die Frage, warum man ein solches Buch lesen sollte. Weil es mit erstaunlicher Anschaulichkeit und Sprachmächtigkeit die Untiefen der Geschlechterverhältnisse erforscht und beleuchtet. Was es dabei zu sehen gibt, ist die Nachtseite der Liebe, über die man gerne schweigt, die aber trotzdem existiert. Ich habe dieses Buch gelesen wie den Bericht über eine männliche Krankheit, die man Niemandem wünsche sollte, bei der es aber gut ist, zu wissen, dass es sie gibt.