Das vorliegende Buch vereint zwei Vorzüge, die selten zusammentreffen. Es behandelt seinen Gegenstand extrem kurz und doch prägnant und differenziert. Deswegen ist es nicht nur für Anfänger, sondern auch für Fortgeschrittene geeignet, wenn die Vielfalt der Einzelheiten nach Klarheit und Ordnung verlangt. Welche Akzente, abseits der reinen Ereignisfolge, setzt dieses Buch? (1) Der Erfolg des ersten Kreuzzuges verdankt sich nicht der Stärke der christlichen Seite, sondern der Schwäche der beiden islamischen Gegner. Sowohl das Fatimidenreich von Kairo wie das Imperium der Seldschuken befanden sich im Bürgerkrieg, als die christlichen Heere herangerückten. (2) Von den vier Kreuzfahrerstaaten, die im Zuge der Kreuzfahrtbewegung gegründet wurden, dem Königreich Jerusalem, Tripolis, Antiochia und Edessa, waren Antiochia und Edessa mehrheitlich von orthodoxen und lateinischen Christen bewohnt. Zu diesen Kreuzfahrerstaaten gesellte sich das merkwürdige Gebilde „Kleinarmenien“. Kleinarmenien befand sich im heutigen Kliniken und war das Zentrum vertriebener Armenier, die nach der Schlacht von Manzikert 1071 vor den Seldschuken nach Süden geflohen waren. Diese fünf christlichen Reiche gerieten sich oft genug selbst in die Haare und paktierten, wenn es sein musste, mitunter auch mit dem moslemischen Feind. (3) Mit dem Angriff der Ritter des zweiten Kreuzzüge auf Damaskus leiteten die Christen ungewollt einen Konzentrationsprozess auf muslimische Seite ein, dem sie schließlich erliegen sollten. Zangiden und Ayyubiden profilieren sich erfolgreich als Vorkämpfer der islamischen Sache gegen die Christen. (4) Dieser Konzentrationsprozess auf muslimischer Seite wird forciert, als das Königreich Jerusalem ab 1163 in den Fatimidenstaat von Ägypten einmarschiert. Dieser Einfall entpuppt sich die „Karrierechance“ des jungen Saladin, der im Dienste der Zangiden aus Syrien herbeieilt, die Kreuzfahrer besiegt und mit Einverständnis des Kalifen von Bagdad im Jahre 1171 das fatimidische Kalifat von Kairo beerdigt. (5) Saladin gelingt es, die syrischen und ägyptischen Ressourcen zu vereinigen und die vereinigten Kreuzfahrer in der Schlacht bei Hattin 1187 vernichtend zu schlagen. Nach dem Fall Jerusalems im nächsten Jahr wird er zum anerkannten Vorkämpfer eines allgemeinmoslemischen Djihdas gegen die Christen. (6) Der daraufhin ausgerufene Dritte Kreuzzug ändert an diesen Machtverhältnissen nichts. Immerhin erhalten die Kreuzfahrerstaaten nach dem frühen Tod Saladins durch den Streit unter seinen Nachfolgern noch eine Gnadenfrist. (7) Diese Zwist innerhalb der Ayyubidendynastie erklärt auch den erstaunlichen Erfolg Kaiser Friedichs II, der im fünften Kreuzzug 1228/9 Jerusalem auf dem Verhandlungswege zurückerhält. (8) Die Kreuzzüge Ludwigs des Heiligen und sein Angriff auf Ägypten führen zum Ende der Ayyubiden und zum Aufstieg der Mamlucken, die die Kreuzfahrer und kurz darauf auch die Mongolen besiegen, die 1258 wie eine Heimsuchung von Osten her über den Islam herfallen, Mit dem Fall von Akko 1291 endet hier die Epoche der Kreuzfahrer, wie sie 1099 begann: mit einem gnadenlosen Blutbad, bei dem die Sieger (diesmal die Moslems) kein Erbarmen kannten.
Wie schon angemerkt zeichnet sich das Buch durch Prägnanz und Klarheit aus. Weniger zufrieden muss man mit der Ausgewogenheit sein, denn der Autor argumentiert aus einer unverhohlen islamophilen Perspektive. So wird mit Recht das Massaker beklagt, dass die Kreuzfahrer 1099 bei der Einnahme Jerusalems anrichteten, das vergleichbare Massaker, das die Moslems bei der Einnahme von Edessa 1144 veranstalteten, erscheint nur unter ferner liefen. Die Kopfsteuer die die Christen im muslimischen Herrschaftsbereich Herrschaftsbereich zahlen mussten, geht für den Autor voll in Ordnung, die Kopfsteuer, die die Muslime ihrerseits in die Kreuzfahrerstaaten entrichten mussten war in den Augen des Autos eine „Erniedrigung“. Thorau ist allen Ernstes der Meinung, dass die Araber im Nahen Osten im Unterschied etwa zu den Germanen in der Spätantike keinen Kulturbruch herbeigeführt hätten. Hat denn die Vernichtung der zoroastrischen Hochkultur im Iran nicht stattgefunden? möchte man fragen. Auch die vorderasiatischen Quellen aus dem siebten Jahrhundert, die vom verzweifelten Abwehrkampf der Iraner gegen die Kamelreiterheere berichten, zeigen ein anderes Bild. Aber was soll’s, ein bisschen political Correctness muss sein. Die positive Gesamteindruck dieses ausgezeichneten Buches schadet das nur unwesentlich.