Auf dieses Buch bin ich im Zusammenhang mit Recherchen zur Geschichte des Reisens gestoßen. Pilgerfahrten, Händlerreisen, Handwerker- und Kavaliertouren touren kennt man, mir war aber gar nicht klar gewesen, dass auch Söldner eine zeitweise relativ große Personengruppe darstellten, die jahrhundertelang einen Großteil der gesellschaftlichen Mobilität ausmachten. Einmal angelesen, fesselte mich aber das vorliegende Buch weit über mein ursprüngliches Interesse hinaus, denn der Autor Frank Westenfelder liefert nicht mehr und nicht weniger als eine komplette kleine Weltgeschichte aus der Perspektive des bezahlten Krieges.
Westenfelders Ausgangspunkt ist die Unterscheidung von „Soldat“ als Inländer, der eine bestimmte Pflicht erfüllt, und „Söldner“, der für Geld seine Haut zu Markte trägt. Allerdings, so der Autor, spiegelt diese Entgegensetzung selbst einer relativ späten Phase der modernen Geschichte, als im Rahmen der Französischen Revolution die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht das Söldnerwesen scheinbar für alle Zeiten beendete.
In Wahrheit erfüllten bezahlte Söldner lange Zeit eine unverzichtbare Funktion für das Gemeinwesen, denn Kaufleute, Handwerker oder gar Studierte waren aus ökonomischer Perspektive einfach zu kostbar, um sie auf dem Schlachtfeld zu opfern. „Milizen“, das heißt, Armeen aus Bürgern, mögen uns „demokratisch“ anmuten, aber letztlich waren sie extrem kostspielig. Allerdings kommen Söldnerheer erst zustande, wenn der Fürst oder der Heerführer genügend Geld besitzt, um sie zu bezahlen. In der Regel setzt dies auf Seiten des Fürsten ein Territorium voraus, in dem der Herrschaftsstab des Fürsten die Bürger besteuert, damit sie durch ein bezahltes Söldnerheer „beschützt“ werden können. Die Beamten, die diese Abgaben einziehen, sind also im Grunde die Voraussetzung der Söldner.
Weiß der Geier warum, aber Westenfelder beginnt seine Geschichte des Söldnertums erst im Mittelalter und lässt die hellenistischen Söldnerheere außen vor. Was ist mit Xenophons „Anabasis“ und den Söldnerheeren des Demetrios, möchte man fragen. Aber wie dem auch sei: Mit dem Zusammenbruch der antiken Wirtschaft war es mit den Söldnerheeren ohnehin vorbei, weil die finanziellen Voraussetzungen nicht mehr vorlagen. Es begann die Epoche des Feudalismus, die allerdings den Nachteil mit sich brachte, dass der Herrscher im Verhältnis zu seinen Gefolgsleuten schrittweise an Macht verlor.Denn wenn nun der Herrscher zu den Waffen rief, konnte es sich der Lehensnehmer überlegen, man denke nur an den vergeblichen Kniefall Kaiser Friedrichs I vor dem widerspenstigen Heinrich dem Löwen.
„Gegen diese zentrifugalen Kräfte, die alle europäischen Staaten in ihrer Substanz schon bedrohten, noch bevor sie richtig geformt worden waren, halfen eigentlich nur zwei Dinge: Söldner und Beamte, wobei die Letzteren im Wesentlichen dazu dienten, die notwendigen Mittel für die Bezahlung der Ersteren aufzutreiben. Dementsprechend begann die hohe Zeit des Söldnerwesens mit der Entstehung der Territorialstaaten seit dem ausgehenden Mittelalter. Das stehende Heer Ludwigs XIV war in weiten Teilen ein Söldnerheer, und auch die Armeen Friedrichs des Großen bestanden aus gekauften (zu Minimalpreisen „gepressten“) Soldaten. Der amerikanische Unabhängigkeitskrieg war von Seiten der Briten ein Söldnerkrieg, den allerdings die Milizen der Neuenglandstaaten gewannen (weil viele Söldner abhauten).
Wendepunkt der Entwicklung war auch hier die Französische Revolution mit ihren Millionenheeren. Napoleon konnte besiegt werden, als seine Gegner Abschied nahmen von den reinen Södnerheeren darangingen, wie Frankreich die allgemeine Wehrpflicht einzufühten. Damit war das Söldnerwesen zwar zunächst aus der Welt, aber die Soldaten, die nun ihre Haut fürs Vaterland zu Felde trugen, verlangten in ihrer Eigenschaft als Bürger nach Mitsprache. Mit anderen Worten: das Söldnertum ging, die Bewaffnung des Volkes kam und mit ihr die Demokratie. Das ist aber nur in Greenzen eine gute Nachricht. Denn nun brachen die totalen Massenkriege an, der Krieg verwandelte sich aus einem eng umerissenen Geschäft in ein allgemeines Schlachtfest der Nationen
Aber auch damit ist es inzwischen schon wieder vorbei. Inzwischen haben sich die Wohlstandsstaaten des Westens pazifiziert, und ihre Angehörigen verspüren keine Lust mehr, fürs Vaterland zu sterben. Westenfelder drückt das drastischer aus: in der gesamten Geschichte rekrutierten sich die Söldner immer aus den untersten Schichten, und jetzt, wo die untersten Schichten über Sozialfürsorge genügend Geld erhalten, brauchen sie sich nicht mehr als Söldner zu verdingen. Das ist übrigens in den USA mit ihren geringeren Sozialleistungen anders, so dass dort überproportional viele Schwarzamerikaner Dienst leisten.
Ein weiterer Faktor trat nach dem zweiten Weltkrieg hinzu. Um sich gegen die lästigen Kontrollen der Parlamente abzusichern, wurde der Krieg und damit das Söldnertum an Spezialanbieter ausgesourct. Mittlerweile agieren gut vernetzte internationale Söldnerkonzerne wie Blackwater und andere im Dienste gewählter Regierungen, die auf diese Weise „hässliche Bilder“ mit gefallenen Soldaten vermeiden können.
So ist das Geschäft des Tötens in den asymmetrischen Kriegen unserer Zeit längst wieder zu einem bezahlten Söldnerkrieg geworden. Hochbezahlte Spezialisten sorgen im Verborgenen dafür, dass die meisten Verbindungswege des Welthandels offen bleiben. „Wahrscheinlich möchte eine Mehrheit der Bevölkerung der westlichen Staaten, dass der Terrorismus bekämpft und den Menschenrechten zum Sieg verholfen wird“, schreibt Westenfelde. „Nur sollen dabei bitte nicht die eigenen Söhne zum Einsatz kommen.“
Ich habe das vorliegende Buch von der ersten bis zur letzten Seite mit Interesse und Anteilnahme gelesen. Die Breite der Darstellung, die immer nachvollziehbare Verbindung zur allgemeinen Weltgeschichte und der flüssige und gut lesbare Stil erheben das vorliegende Buch in den Rang einer beispielgebenden Monografie. Allerdings spürt man, je weiter die Lektüre voranschreitet, dass der Autor zu seinem Gegenstand eine ambivalente Beziehung pflegt. Söldner sind in seiner Perspektive wie Wölfe, sie erledigen ein blutiges Geschäft, damit die Schafe unbehelligt grasen können. Was man von diesen Wölfen halten soll, kommt wohl auf den Einzelfall an. Im Kongo haben sie Hunderttausenden das Leben gerettet, im Jugoslawienkrieg war es, so der Autor „eine Bande von Drecksäcken und A…löchern“